Station 9

 

Der jüdische Friedhof - Haus für die  Ewigkeit

 

Amalie und August Joseph, die Großeltern von Heinz (Henry) Joseph, starben kurz hintereinander im Jahre 1940. Sie hatten noch das "Glück" nicht in die Vernichtungslager des Osten transportiert und ermordet zu werden. Nach ihnen ist nur noch Isaak Löser (1942) in einem der Notlage dieser Zeit entsprechenden einfachen Grab  beerdigt.

Der Doppelgrabstein auf dem seit 1910 belegten Friedhof hat die typischen Merkmale einer jüdischen Grabstätte.

 

Die Inschrift ist in der Region meist in Hebräisch und Deutsch (manchmal auf der Rückseite), die Inschrift beginnt mit "Hier ruht/Hier ist begraben". Es folgen eine Lobrede (Eulogie) auf den/die Verstorbene/n mit dem Abschlusssegen "Ihre/Seine Seele sei eingebunden in das Bündel des Lebens", die Namen und Lebensdaten. Nach traditioneller Auffassung gibt es keinen Blumenschmuck, da man keine Freude an einer Grabstätte haben darf. Besucher/Verwandte legen einen kleinen Stein auf das Grab als Erinnerung, dass jemand das Grab besucht hat. Diese Sitte geht u.a. auf die Aussage der Thora zurück, dass der Mensch wieder zu Staub wird. Das Grab darf nicht neu belegt, geöffnet oder beseitigt werden, denn die konservative Auffassung besagt, dass der ganze Leichnam vor Gott Rechenschaft ablegen muss.

 

In Rheinland-Pfalz gibt es etwa 400 jüdische Friedhöfe, die ältesten (Worms, Mainz) stammen aus dem 11. Jh. Sie wurden nach religöser Tradition außerhalb der Städte/Dörfer angelegt, in manchen Orten an Stellen, an denen Landwirtschaft oder Weinanbau nicht möglich war. Die Pflege und ihre Finanzierung sind gesetzlich zwischen den jeweiligen Zivilgemeinden und den jüdischen Gemeinden festgelegt. 

Bis auf wenige Ausnahmen sind die Friedhöfe "verwaist", d.h. es gibt dort keine jüdischen Gemeinden oder Nachkommen der Toten mehr oder es finden keine Beerdigungen statt. Dennoch dürfen die Friedhöfe nach traditioneller religiöser Auslegung ("Halacha") weder aufgegeben noch überbaut werden, da Tote das Recht auf "ewige Ruhe" in ihrem Grab haben.

 

Jüdische Friedhöfe sind deshalb religiöse Kultstätten, Erinnerungsorte für Verwandte und Besucher, aber auch Denkmale, da sie vielerorts die einzigen Überreste  jüdischen Lebens darstellen.

 

Verhalten:

Respektvolles Verhalten, nicht essen oder trinken, nichts verändern, möglichst nicht am Schabbath den Friedhof besuchen, Kopfbedeckung für Männer, keine Blumen pflücken, evtl. ein Steinchen auf das Grab legen, die Tür wieder schließen.

 

Es ist dringend notwendig, dass alle Friedhöfe unter Denkmalschutz gestellt, inventarisiert  und jede Grabstätte fotografisch dokumentiert wird.  Sandsteingrabsteine sind der Witterung besonders ausgesetzt, viele sind  nicht mehr lesbar. Vandalismus und antisemitische Schändungen haben gerade seit 1945 zusätzlich für Zerstörungen gesorgt. Daniela Tobias aus Solingen hat sich als Fotografin auch dieser Aufgabe gewidmet, hier vor Grabsteinen, die vorher auf dem überbauten alten Friedhof standen (Aufnahme: 18.8.2017).