Station 12

Höhen und Tiefen deutsch-jüdischen Zusammenlebens

 

Die Kirchgasse symbolisiert gleichzeitig die Höhen und Tiefen der deutsch-jüdischen Geschichte: Evangelische und katholische Kirche neben der Synagoge  zeugen von einem lange Zeit friedvollen Nebeneinander der Religionsgemeinschaften. Die letzte Station des QR-Code-Weges vereint deshalb sehr unterschiedliche Aspekte des Zusammenlebens:

 

Einmal die evangelische Schule, in die auch die jüdischen Schülerinnen und Schüler gingen, in der Lehrer aber auch ab 1933 jüdische Schüler in menschenverachtender Weise diskriminierten.

 

Direkt gegenüber steht noch das Haus der Familie Joseph, die eine Mazzenbäckerei besaß. Das Schicksal der Familie kann dank der vielen Dokumente im Forst-Mayer Studienzentrum als Beispiel für die Grausamkeit und die Folgen einer menschenverachtenden Ideologie gelten.

 

Das ehemalige katholische Pfarrhaus neben der katholischen Kirche steht aber auch für Zivilcourage und Menschlichkeit gegenüber den jüdischen Mitbewohnern: Das Beispiel der katholischen Priester Hugo Pfeil, der sechs Jahre im Gefängnis und in Konzentrationslagern verbrachte und des Pfarrers Nikolaus Molitor, der der bedrängten Familie  Joseph während der Reichspogromnacht half.

 

Auf der rechten Seite die ehemals evangelische Schule, in die auch die jüdischen Schüler gingen. Religionsunterricht erhielten sie in der Synagoge.

Rechts vor der Kirche  das frühere katholische Pfarrhaus.

Links: Das Haus der Mazzenbäckerei Joseph.

Ein besonderes Geschenk hält die Musiklehrerin Stephan für ihre fleißigen Schüler bereit: Ein Mazzenbrot.

 

Nach dem Krieg versuchte Henry Joseph von den USA aus "Wiedergutmachung" zu beantragen. Hier ein Ausschnitt aus dem Schriftverkehr zwischen der Amtsverwaltung Kirchberg und dem "Regierungsbezirksamt für Wiedergutmachung und kontrollierte Vermögen" vom 2.9.1952  

"Er war der einzige, der der Familie Joseph in der Zerstörungsnacht Unterkunft gegeben hat".

Pfarrer Molitor (Von 1935 bis 1939 in St. Laurentius, Laufersweiler) mit seinen Kommunionkindern im Jahre 1935.

Pfarrer Hugo Pfeil

 

Hugo Pfeil wurde am 21.September 1885 in Bassenheim geboren.

 

Er studierte Theologie in Trier und Innsbruck, bis er am 1. August 1912 in Trier zum Priester geweiht wurde.

 

In den darauf folgenden Jahren wirkte er als Kaplan in Mettlach (1912-1919), Rübenach (1919-1920) und Linz am Rhein (1920-1921).

 

Im Jahr 1921 wurde er Pfarrer von St. Laurentius in Laufersweiler. Da er dort nach 50 Jahre der erste Pfarrer war, leistete er sowohl religiöse als auch ökonomische Aufbauarbeit. Als die nationalsozialistische Bewegung Aufschwung erhielt, kam er schnell in einen Konflikt mit ihr, da er sich in seinen Predigten offen gegen sie aussprach. Diese Konflikte veranlassten ihn dazu sich im Jahr 1933 ins saarländische Humes versetzen zu lassen.

 

Die nächsten beiden Jahre versah Peter Doerr seinen Dienst, ehe 1935 Nikolaus Molitor in sein Amt in Laufersweiler eingeführt wurde. Er half vor allem der jüdischen Familie Joseph und versteckte sie in der Reichspogromnacht 1938 auf dem Speicher des Pfarrhauses. Ihm haben wir wahrscheinlich auch die Fotos zu verdanken, die er heimlich aus seinem Pfarrhaus machte, als die NS-Horden grölend am Morgen nach der Reichspogromnacht an seinem Haus vorbeizogen. Die Fotos fanden sich in einem Schuhkarton bei der Witwe von Heinz (Henry) Joseph in den USA.

 

Auch in Humes blieben die Konflikte von Hugo Pfeil mit dem Nazi-Regime nicht aus, da für ihn weltliche Autoritäten stets zweitrangig gegenüber religiösen Autoritäten waren.

 

So wurde er auch einmal verhaftet, da er nie mit dem „deutschen Gruß“ grüße, sondern ein einfaches „Grüß Gott!“ nutze. Im März 1936 blieb er bei den Reichstagswahlen demonstrativ zuhause trotz der herrschenden Wahlpflicht. Die örtliche SA zerrte ihn kurz vor Schließung des Wahllokals zur Urne.

 

Ein offener Konflikt entbrannte im September 1939, nachdem er in seiner Predigt am ersten Sonntag nach Beginn des zweiten Weltkrieges den angeblichen polnischen Überfall auf deutsches Gebiet korrekterweise als Propagandalüge bezeichnete. Auf Grund dessen wurde er von einem Bürger der Gemeinde angezeigt. So wurde er am 20.September 1939 von der Gestapo Saarbrücken unter dem Verdacht auf staatsgefährdene Äußerungen verhaftet. Zunächst wurde er im Gefängnis in Ottweiler und ab dem 11.Oktober 1939 im Amtsgerichtsgefängnis in St.Wendel festgehalten. Am 15.Februar 1940 wurde er in das Konzentrationslager Sachsenhausen bei Berlin und am 15.Dezember 1940 in den Pfarrerblock des KZs Dachau bei München gebracht.

 

Kirchenvertreter & Familienangehörige wurden lange Zeit über seinen Verbleib im Unklaren gelassen. Alle Bemühungen etwas zu erfahren oder ihn frei zu bekommen, blieben erfolglos.

 

Erst im März 1944 wurde dem Bischöflichen Generalvikariat in Trier Pfeils offizielle Adresse :

 

Dachau, 3k, Block 26/3 No. 22644“ mitgeteilt. Gesuche auf Entlassung aus der so genannten Schutzhaft wurden wiederholt abgelehnt. Hugo Pfeil wurde insgesamt 5 Jahre & 7 Monate ohne gerichtliche Untersuchung oder Verurteilung als politischer Häftling festgehalten. Erst am 9. April 1945, einen Tag nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht, ließen die SS- Schergen eine Verzichtserklärung auf etwaige spätere Regressansprüche unterschreiben & entließen ihn aus der Haft.

 

Nach seiner Entlassung ging er zurück nach Humes und wurde am 1.Juli 1945 erneut in sein Amt eingeführt, jedoch hatte er sich durch seine Erfahrungen verändert und verschloss sich zunehmend mehr vor anderen Menschen. 1946 verfasste er ein bis 2012 unveröffentlichtes Manuskript

 

Das Leben, Leiden & Sterben der Priester in Dachau“.

 

Er bat auf Grund der Tatsache, dass er nicht mehr richtig Fuß fassen konnte, um eine Versetzung und war ab dem 20.April 1951 bis zum 1.Oktober 1966 als Pfarrer von St. Nikolaus in Monzel an der Mosel tätig. Ihm wurde das Bundesverdienstkreuz & der Ehrentitel „Geistlicher Rat“ verliehen.

 

Am 21.Mai 1967 starb Hugo Pfeil in Monzel und wurde auf dem Kirchhof von St.Nikolaus beigesetzt.

 

 

Quellen (Text und Fotos):

http://www.saarland-biografien.de/Pfeil-Hugo

https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Pfeil

 

Das Grab von Hugo Pfeil auf dem Kirchhof in Monzel vor einer Kreuzigungsgruppe